A-ZBöhms Börsenlexikon
Lars Erichsen
Team Böhms-DAX-StrategieWie wird der Gewinn je Aktie berechnet?
Gewinn je Aktie: Alle Aktienkennzahlen zur Bewertung von Unternehmen beruhen darauf, dass fundamentale Daten des Unternehmens aus der Bilanz oder der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) in Relation zum Aktien-Kurs gesetzt werden. Nur auf diese Weise lässt sich eine sinnvolle Aussage darüber treffen, ob die Aktie eines Unternehmens niedrig oder hoch bewertet ist. Besonders häufig wird dafür die Größe „Gewinn je Aktie“ herangezogen.
Bei der Berechnung der wichtigen Aktienkennzahl Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) scheint dies – zumindest auf den ersten Blick – recht einfach: Sie müssen nur den Gewinn (Erlös minus Kosten) durch die Anzahl der Aktien dividieren und Sie erhalten auf diese Weise den Gewinn je Aktie, sprich den Gewinnanteil jedes einzelnen Anteilsscheins. Dieser wird in Relation gesetzt zum Aktien-Kurs. Doch Sie ahnen es vermutlich schon: Die Praxis ist leider komplizierter als die Theorie.
Die wenigsten Probleme beim Gewinn je Aktie bereitet noch die Anzahl der Aktien. Die wirklichen Schwierigkeiten beginnen bei der Berechnung des Gewinns einer Unternehmung. Abgesehen von kriminellen Bilanzmanipulationen, vor denen man ja nicht gefeit ist, wie die vergangenen Jahre mehrfach zeigten, lassen die Bilanzierungsregeln auch legal einigen Spielraum. Bei manchen Positionen (z. B. Rückstellungen, immaterielle Vermögensgegenstände) liegt es teils im Ermessen der Unternehmensführung, ob ein Vermögensgegenstand in der Bilanz erfasst wird oder nicht. Die Abschreibungsregeln lassen ebenso Wahlmöglichkeiten. Das alles kann den Gewinn je Aktie erheblich beeinflussen.
Was sind die Tücken beim Gewinn je Aktie?
Um die Verwirrung komplett zu machen, existieren zudem unterschiedliche Bilanzierungsregeln. Nach verschiedenen Rechnungswerken können Unternehmen in Deutschland bilanzieren und demzufolge einen unterschiedlichen Gewinn je Aktie ausweisen: Das gute alte HGB-Bilanzierungssystem, die vom International Accounting Standards Board (IASB) festgelegten International Financial Reporting Standards (IFRS) und die Generally Accepted Accounting Principles aus den USA (US-GAAP). Von der Deutschen Vereinigung der Finanzanalysten (DVFA) und von der Schmalenbach-Gesellschaft (SG) wurde zudem ein Konzept zur Ermittlung des Gewinns je Aktie entwickelt, durch das die tatsächliche ökonomische Entwicklung des betreffenden Unternehmens widergespiegelt werden soll, den so genannten DVFA/SG Gewinn je Aktie.
Die meisten deutschen Unternehmen, die noch nach HGB bilanzieren, weisen erfreulicherweise zusätzlich ein DVFA/SG-Ergebnis aus. Sie sollten es speziell für Vergleiche mit nach IFRS oder US-GAAP bilanzierenden Unternehmen in jedem Fall dem nach HGB berechneten Jahresüberschuss vorziehen. Nur so ist es sinnvoll, den Gewinn je Aktie verschiedener Unternehmen gegenüberzustellen.
Aus Gründen der internationalen Vergleichbarkeit bilanzieren die meisten großen deutschen Unternehmen inzwischen nach IFRS oder US-GAAP und weisen entsprechen auch den Gewinn je Aktie aus. Das hat zu einer gewissen Geringschätzung der HGB-Bilanzierung geführt. So mancher Bilanzskandal der letzten Jahre hat allerdings diese Einschätzung wieder etwas zurechtgerückt, denn viele dabei aufgedeckte Manipulationen wären bei einer Bilanzierung nach HGB nicht möglich gewesen.
Vom Jahresüberschuss zum DVFA/SG-Ergebnis
Jahresüberschuss/-fehlbetrag
+/- Bereinigung um Ingangsetzungsaufwendungen
+/- Bereinigungspositionen im AV
+/- Bereinigungspositionen im UV
+/- Bereinigungspositionen bei den Passiva
+/- Bereinigung von Fremdwährungs- und sonstigen Einflüssen
= Ergebnis nach DVFA/SG
/ Anzahl der Aktien
= Nach DVFA/SG Gewinn je Aktie
Adjustierung für Kapitalmaßnahmen
Warum sollten Sie die zeitliche Entwicklung des Gewinns je Aktie beachten?
Eine wichtige Frage bei der Berechnung des KGV z. B. ist auch, den Gewinn je Aktie welchen Jahres ziehe ich zur Ermittlung der Kennzahl heran. Üblich ist zum einen den Gewinn des letzten Geschäftsjahres zu nehmen, das ist eine feststehende Größe. An der Börse interessiert aber vor allem die Zukunft und daher wird zur Berechnung des KGV und anderer Kennzahlen häufiger auf den Gewinn je Aktie zukünftiger Perioden, meistens des laufenden oder des kommenden Geschäftsjahres zurückgegriffen. Um dies tun zu können, werden aber Gewinnprognosen benötigt. Manchmal liefert die das Unternehmen selbst, meist werden aber die Schätzungen professioneller Aktienanalysten verwendet. Die Verwendung von Gewinnprognosen ist allerdings mit großen Problemen verbunden, denn allzu häufig treffen diese nicht zu (lesen Sie dazu den Beitrag „Innerer Wert" in der Börsenschule).
Doch egal ob Sie auf den Gewinn des abgelaufenen Geschäftsjahres zurückgreifen oder auf Gewinnprognosen: Die Unternehmensergebnisse eines einzelnen Jahres sind häufig durch besondere Ereignisse, z. B. hohe Investitionen, verzerrt und ermöglichen daher nicht immer eine zutreffende Einschätzung der wahren Ertragskraft eines Unternehmens. Besser ist es daher, die Gewinne mehrerer Jahre zu analysieren.
Denn wichtig ist neben der statischen Größe „Gewinn je Aktie im Jahr X“ ebenfalls das Wachstum, insbesondere das Wachstum des Gewinns (auch „Gewinnmomentum“ genannt). Es misst die durchschnittliche Veränderung für den Gewinn je Aktie innerhalb einer Periode und wird als geometrisches Mittel berechnet. Das Gewinnmomentum wird auch als „Compounded Annual Growth Rate“ bezeichnet oder abgekürzt CAGR. Je höher das Gewinnmomentum ist, desto höher darf das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) ausfallen, ohne dass die Aktie als überteuert bezeichnet werden kann.
Denn wenn der Gewinn je Aktie schnell wächst, dann verringert sich die KGV-Bewertung der Aktie automatisch von Jahr zu Jahr. Aus diesem Grund werden Aktien von schnell wachsenden Unternehmen (z. B. Internetkonzerne wie Google) an der Börse mit einem höheren KGV bewertet als Aktien von Unternehmen, die in „reifen“, kaum wachsenden Märkten tätig sind (z. B. Versicherungskonzerne wie die Allianz).
Was sagt der PEG-Faktor aus?
Der PEG-Faktor ergibt sich aus: KGV / Gewinnmomentum. Diese Kennzahl setzt also das KGV mit dem Gewinnmomentum ins Verhältnis und wird auch als Price-Earnings-Growth-Ratio (PEG) oder dynamisches KGV bezeichnet.
Beim Vergleich der PEG-Faktoren verschiedener Aktien sollten Sie wie beim KGV auf den Branchendurchschnitt achten. Der PEG-Faktor sollte vor allem dann hinzugezogen werden, wenn es um die Bewertung und den Vergleich schnell wachsender Unternehmen geht. Statische Kennzahlen wie das KGV, die auf dem Gewinn je Aktie für eine Periode basieren, stoßen hier an ihre Grenzen.
Böhms Praxistipp
Vertrauen Sie nicht blind den Gewinnausweisen der Unternehmen. Der Finanz-Vorstand hat legale Möglichkeiten den in der Bilanz ausgewiesenen Gewinn zu manipulieren. Ebenso können die Prognosen für den Gewinn je Aktie ungeprüft in die Irre führen. Bauen Sie nicht allein auf solchen Zahlen Ihre Anlageentscheidungen auf.
Als Privatanleger besitzen Sie zwar normalerweise nicht die Möglichkeit, die Bilanzen der Unternehmen im Detail auf Unterschiede und „Gewinn-Manipulationen“ hin zu durchforsten. Dennoch ist es wichtig, dass Sie zumindest ein Bewusstsein über die Tücken beim Gewinn je Aktie besitzen, um nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen.