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Böse Anleger – gute Gehaltsempfänger?

Geld ohne Arbeit – oder: die falsche Sicht auf Anleger

(Marion Huber) Nicht erst seit gestern gibt es einen breitgesellschaftlichen Dissens über das Anlegen an und für sich. Von „Zockern“ ist da oftmals die Rede, von Menschen, die Geldberge scheffeln, ohne dafür auch nur einen Finger krumm zu machen. Kurzgesagt einer Form des Gewinnmachens, die irgendwie ehrrührig ist und, je nach Sichtweise, nur etwas für Schattengestalten sei. Kräftig befeuert wird dieses Meinungsbild durch so manchen Pressevertreter, der Anlage und Anleger immer wieder in die Nähe unverantwortlicher Banken oder sogar Kriminellen rückt. Der zweifelhafte Erfolg: Wer sein Geld ganz oder auch nur zum Teil durch Kapitalerträge erwirtschaftet, hat bei der breiten Masse einen wesentlich schlechteren Ruf als jeder Gehaltsempfänger. Das ist nicht nur im höchsten Maße unfair, sondern schlicht falsch. Auf den folgenden Zeilen versuchen wir, das Bild etwas geradezurücken.

Ist es ein typisch deutsches Problem?

Kurzgesagt: Ja. In Deutschland gab und gibt es eine sehr starke „Lohnempfänger-Kultur“. Das erstreckt sich in bekannten Sprüchen wie „Handwerk hat goldenen Boden“ oder „Arbeit adelt“. Doch die Ansicht geht weiter. In Deutschland hat sich ein Denken etabliert, wonach nur das Geld „ehrlich“ sei, das im Schweiße des eigenen Angesichts erworben wurde, ob das nun körperlicher oder geistiger Schweiß ist, ist egal, Hauptsache man muss sich wirklich dafür anstrengen.

Tatsächlich ist das eine perfekte Untertanen-Mentalität, der klassische Ausdruck der deutschen Neidkultur, wie sie auch schon scharf von FDP-Chef Christian Lindner angeprangert wurde. „Der Deutsche“ sieht vielfach in jedem, der mehr besitzt oder etwas mit weniger Anstrengung erworben hat, als potenziellen Gegner. Tatsächlich ist das eine deutsche Singularität, denn in den meisten anderen Ländern werden Personen, die es besser haben, angesehen.

Genau hier kommt die Anlage ins Spiel: In Otto Normalverbrauchers Augen sind Dividenden und Co. Gelder, die an Personen ausgeschüttet werden, ohne dass diese dafür „im Schweiße des Angesichts“ dafür arbeiten müssen. Wer für Gehalt X jeden Tag auf die Arbeit geht, vielleicht jeden Euro mehrfach umdrehen muss, den ärgern solche Erträge.

Christian Lindner

Wird hier vieles verkannt?

Ebenfalls: Ja. Denn die schärfsten Kritiker sind meist diejenigen, die kein oder kaum Anlagewissen besitzen. In den Augen vieler Laien funktioniert Anlage so, dass „der böse Anleger“ einige Euro in die Hand nimmt, sie in ein beliebiges Umfeld investiert und nach kurzer Zeit die Hunderter und Tausender nur so flattern. Ferner wird auch oft angenommen, dass dadurch die Gehälter von „echten“ Arbeitern geschmälert, ja diese sogar ausgebeutet werden. Einmal mehr die klassische Neidkultur.

Was dabei vollkommen verkannt wird, ist die Tatsache, dass eine Anlage“strategie“, wie die oben genannte, direkt im Totalverlust des investierten Geldes resultieren würde. Laien ignorieren oftmals vollkommen, dass eine erfolgreiche Anlage, etwa über Dividenden-Aktien, direkt an den dauerhaften Erwerb von Wissen und gutes Agieren gekoppelt ist. Man muss

  • sich in die Materie einlesen
  • sich Strategien überlegen
  • immerzu am Ball bleiben
  • seine Investitionen aufteilen
  • Kurse dauerhaft verfolgen

Man muss also im klassischsten Sinne arbeiten, nicht weniger als jeder Büro-Angestellte und oftmals sogar wesentlich mehr. Doch im Gegensatz zu diesem hat man trotz all dieser Arbeit immer noch ein Restrisiko, dass all der Aufwand bestenfalls in einem Nullsummenspiel endet, schlimmstenfalls jedoch in einem Verlustgeschäft, denn Märkte sind nun mal nicht mit letzter Sicherheit vorhersagbar. Dass es am Immobilienmarkt große Risiken gibt, wird ebenso ignoriert wie die Tatsache, dass die möglichen Gewinne immer analog mit dem Verlustrisiko steigen. Medial präsent sind vor allem die höchst erfolgreichen Großanleger. Dass aber auch diese in ihrer Karriere oftmals große Verluste eingefahren haben, wird entweder ignoriert oder als „Beweis“ herangezogen, um diese Personen als unfähig zu brandmarken.

Un- und Halbwissen?

Der zentrale Kern dieser Ansichten ist eine gehörige Mischung aus Un- und Halbwissen über das gesamte Thema. Weiter verschärft wird dies durch den überraschend häufig vertretenen Glauben, dass Anleger ihre Gewinne quasi verlustfrei bekämen, wer dabei gerade als Alleinstehender mit Steuerklasse 1 auf seine Gehaltsabrechnung blickt und sich über den immensen Unterschied zwischen Brutto und Netto ärgert, dem kann man es noch nicht mal verübeln, dass er dann einen regelrechten Rochus bekommt.

Bei manchen ist der Fakt, dass es schon seit 2009 in Deutschland eine Abgeltungssteuer gibt, die absolut alle Kapitalerträge umfasst, ebenso unbekannt, wie die Feinheiten dieses Systems. Etwa, dass die Steuer satte 25 Prozent beträgt, dass sie automatisch wie Soli und Kirchensteuer vom Bankkonto abgezogen wird, ohne dass man sich davor drücken könnte oder dass der Freibetrag nur magere 801 Euro beträgt.

Dass die Definition von Anlagegold in diesem Umfeld äußerst eng umrissen ist, man beim Kauf von Edelmetallen oft die volle Mehrwertsteuer entrichten muss und bei Auslandskäufen auch noch die Differenzbesteuerung anfällt, wissen viele Laien schlicht nicht. Überdies wird auch oft verkannt, dass gerade Edelmetalle keine Dividenden erzielen, Kosten für die Lagerung verschlingen und oftmals erst nach Jahren mit Gewinn veräußert werden können.

Zusammen ergibt sich daraus ein negatives Bild von den „unfairen Gewinnen ohne Reue“ bei dem überdies komplett ignoriert wird, dass die allermeisten Anleger in Deutschland eben nicht die großen „Haie“ der Branche sind, sondern die kleinen Sparer, die es sich schlicht nicht leisten können, in einem Umfeld der Niedrigst-Zinsen ihr Geld schon dadurch zu verlieren, dass sie es nur auf dem Sparbuch deponieren.

Was kann man dagegen tun?

Die kurze Antwort auf diese Frage wäre „sich einfach mal informieren“. Aber das wäre ebenso unfair wie die Vorwürfe gegenüber Anlage und Anlegern. Nein, es gibt vieles, was getan werden kann. Das meiste davon von jedem Anleger selbst, anderes jedoch ist ein etwas größer angelegtes Projekt, das jedoch medialer Unterstützung bedarf:

  • Was man nicht weiß, macht einen nicht heiß. Getreu diesem Motto ist es vielleicht schon der einfachste Schritt, nicht aller Welt zu erzählen, dass man Anleger ist und es völlig zu vermeiden, große Gewinne an die noch größere Glocke zu hängen. Die deutsche Neidkultur lässt sich eben nicht anders als durch Understatement bekämpfen, alles andere wäre der Kampf gegen Windmühlen.

  • Informieren. Wenn das Thema im privaten Rahmen auf den Tisch kommt, sollten Anleger nicht einfach den Klischees das Wort überlassen, sondern echtes Wissen präsentieren, dabei neutral alle Vor- und Nachteile darlegen und insbesondere unterstreichen, dass erfolgreiche Anlage sehr wohl mit (Kopf)Arbeit zu tun hat und nicht nur „Zockerglück“.

  • Gleichstellen. Wie erwähnt glauben viele Laien, dass Anleger irgendwelche reichen Schattengestalten wären. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Es gibt in Deutschland 4,38 Millionen Aktionäre und eigentlich gehört man schon dann zu den Kleinanlegern, wenn man nur sein Geld in einen Fonds investiert, statt zuzusehen, wie es auf dem Sparbuch zerfließt wie Eis in der Sonne und von den Fondssparern gibt es mittlerweile zweistellige Millionensummen.

Diese Punkte kann jeder Anleger selbst als Argumentationshilfe in den „Ring“ werfen. Damit jedoch wirklich breitgesellschaftlich besser aufgeklärt wird, wäre es darüber hinaus allerdings notwendig, dass vor allem die großen Medien besser informieren. Denn dort ist es vielfach Usus, einfach nur im Sinne guter Auflage sämtliche Negativ-Klischees zu bestätigen und den Irrglauben zu nähren, dass Anlage eine Art Poker im XXL-Format um Milliardensummen wäre, das auf dem Rücken aller ehrlich arbeitenden Menschen ausgetragen wird.

Anlage und Anleger
Fazit

sprechblase Kurz und kompakt

Der Ruf der Anlage ist leider nicht der Beste. Vieles davon ist ein echt deutsches Problem, weil Neid hier die wohl größte Rolle spielt. Teilweise ist auch Angst im Spiel, weil Anlage eben eine Thematik ist, in die man sich einarbeiten muss. Direkt kausal damit verbunden ist eine Menge Unwissen. Das lässt sich nur aus der Welt schaffen, indem sich jeder Anleger, ob groß oder klein, als Botschafter begreift und mit offenen Karten erklärt, was es mit dem Thema auf sich hat und was schlicht und ergreifend falsch kolportiert wird.

Wenig Zeit?
Bildquellen:
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