Geldpolitik: Die Taylor-Regel
Die Zinssetzung der Notenbanken soll klaren Regeln folgen
Die älteren unter ihnen werden sich vielleicht noch daran erinnern: Früher betrieb die Deutsche Bundesbank eine direkte Steuerung der Geldmenge. Das ist lange vorbei, inzwischen verfolgen fast alle Notenbanken weltweit eine Inflationssteuerung. Das heißt, es wird die Entwicklung der Inflationsrate betrachtet und mit einer bestimmten Zielgröße (meist 2 Prozent) verglichen. Liegt die Inflationsrate unter der Zielgröße, wie z.B. in der Eurozone, dann wird die Geldmenge erhöht. Das kann durch eine Senkung des Leitzinses oder – seit der Finanzkrise – durch direkte Käufe von Anleihen geschehen („Quantitative Easing“).
Die Geldpolitiker verfolgen zwei Ziele
Doch die Geldpolitik hat ihre Tücken, man weiß eigentlich nicht, ob das aktuelle Zinsniveau tatsächlich angemessen ist. Dieses Problem wollte der US-Ökonom John Taylor, bis zuletzt auch Kandidat für den Fed-Chefposten, durch empirische Untersuchungen lösen. Ausgangspunkt seiner Überlegungen war, dass die Notenbanken zwei Ziele verfolgen: Preisstabilität UND einen hohen Beschäftigungsstand.
Das ist auch in der Praxis der Fall: Die US-Notenbank Fed oder die EZB haben längst nicht mehr nur die Inflationsrate im Blick, sondern betreiben auch Konjunktursteuerung. Seine Schlussfolgerungen mündeten in der berühmten Taylor-Regel, die heute für die meisten Notenbanken, auch für die Fed und die EZB, eine große Rolle spielt.
Produktionslücke und Inflationslücke bestimmen den Zins
Um es anschaulich zu machen: Liegt die Produktion unter ihrem möglichen Potenzial und/oder ist die Inflationsrate niedriger als die Zielrate, dann muss der Leitzins entsprechend niedriger liegen. Die Geldpolitik wirkt in dem Fall expansiv und wachstumsstimulierend. Dadurch sollen sich die Produktionslücke und/oder die Inflationslücke schließen.
Eine Produktionslücke besteht dann, wenn die tatsächliche Produktion unter dem theoretischen Produktionspotenzial liegt. In dem Fall sind die Produktionskapazitäten unterausgelastet, was typischerweise in einer Rezession oder im darauffolgenden Aufschwung der Fall ist.
Eine Inflationslücke bedeutet, dass die tatsächliche Inflationsrate unter der Zielgröße der Notenbank liegt, in den USA und der Eurozone liegt das Ziel aktuell jeweils bei 2 Prozent Inflation. Taylor wollte diesen vagen Zusammenhang durch empirische Untersuchungen konkret quantifizieren, um die Geldpolitik weniger willkürlich zu machen.
Die Fakten
- Die Taylor-Regel: „Der Leitzins soll der Summe aus der Inflationsrate der letzten vier Quartale plus dem realen Gleichgewichtszins von 2% plus der Produktionslücke in Prozent multipliziert mit dem Faktor 0,5 plus der Inflationslücke in Prozent multipliziert mit 0,5 entsprechen.“
- Die Notenbanken können anhand der Taylor-Regel überprüfen, ob ihre Geldpolitik angemessen ist
- In einer Deflation verliert die Taylor- Regel ihren Nutzen.
Kurz und kompakt
Taylor hat seine Regel bewusst einfach und anschaulich gehalten. Doch inzwischen gibt es viele Modifikationen und ob ein Zinssatz angemessen ist oder nicht, bleibt ein Streitpunkt wie eh und je. Regeln sind in der Volkswirtschaft häufig nur Anhaltspunkte mit breitem Spielraum zur Interpretation.
Taylor bemängelt, dass die Geldpolitik in den USA seit 2003 wieder willkürlicher geworden ist. Doch auch er würde sich schwer tun, seine starre Regel in der Praxis umzusetzen, denn aktuell müsste der Leitzins in den USA demnach bei über 3% liegen.
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