Konjunkturindikatoren: Wozu brauchen Sie diese?
Konjunkturzyklen und Wachstum – zwei Seiten einer Medaille
Der Begriff Konjunktur wird oft synonym mit Wachstum oder Wirtschaftsentwicklung verwendet, doch tatsächlich bezeichnet Konjunktur die regelmäßigen Schwankungen der Wirtschaftstätigkeit um einen langfristigen Wachstumstrend. Dieser langfristige Wachstumstrend wird bestimmt durch die Entwicklung des Produktionspotenzials. Die tatsächlichen, gemessenen Wachstumsraten liegen also über oder unter der Wachstumsrate des Produktionspotenzials. Das sogenannte Potenzialwachstum weist im Gegensatz zu den tatsächlich gemessenen Wachstumsraten des BIP eine hohe Konstanz auf; es hängt allein von den in einer Volkswirtschaft verfügbaren Produktionsfaktoren und vom technischen Fortschritt ab.
Eine Möglichkeit zur Messung von Konjunkturschwankungen ist folglich der Auslastungsgrad der Produktionskapazitäten. Um im Nebel der statistischen Daten tatsächlich zu den Konjunkturschwankungen vorzustoßen, müssen aber außer dem Potenzialwachstum auch die Saisonschwankungen sowie irreguläre Komponenten aus der Wachstumsrate herausgerechnet werden. Da tauchen praktische Probleme auf.
Das Phänomen Konjunktur ist allerdings auch theoretisch schwer zu greifen, weshalb es viele verschiedene Erklärungsansätze und Theorien gibt, auf die ich an dieser Stelle nicht im Einzelnen eingehene möchte. Allen gemeinsam ist, dass das langfristige Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage aus irgendeinem Grund gestört ist und es zu permanenten wellenförmigen Annäherungsversuchen an dieses Gleichgewicht kommt.
Mit Hilfe ökonometrischer Modelle, die auf den verschiedenen Konjunkturtheorien basieren, versuchen die Ökonomen das Phänomen Konjunktur quantitativ zu erfassen und Prognosen zu erstellen. Die ökonometrischen Modelle finden seit Jahrzehnten Anwendung und unterliegen einem ständigen Verbesserungsprozess. In Deutschland geben die privaten Wirtschaftsforschungsinstitute in ihren Frühjahrs- und Herbstgutachten und auch der Sachverständigenrat zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung solche quantitativen Prognosen ab; und natürlich verwenden auch die volkswirtschaftlichen Abteilungen der Banken ökonometrische Modelle zur Prognose.
Doch die ökonometrischen Modelle haben den Nachteil, dass sie eher zur mittel- oder langfristigen Prognose geeignet sind, der Markt lechzt jedoch nach Informationen über die Entwicklung in kurzer Frist. Parallel zu den von den Theoretikern entwickelten Modellen der Ökonometrie haben daher andere Ökonomen aus der empirischen Beobachtung Ansätze entwickelt, die gelegentlich als “theorielos” gegeißelt werden, nämlich die Ableitung von Prognosen aus so genannten Konjunkturindikatoren.
Die Vielfalt der Konjunkturindikatoren
Es gibt quantitative und qualitative Indikatoren. Quantitative Indikatoren sind zum Beispiel Zeitreihen zur Industrieproduktion oder den Auftragseingängen. Sie haben den Vorteil der statistischen Messgenauigkeit. Der Nachteil liegt in der praktischen Erhebung. So benötigen die statistischen Ämter geraume Zeit, um diese Daten zu ermitteln und es kommt nicht selten vor, dass als “vorläufig” veröffentlichte Zahlen – zum Beispiel zur Industrieproduktion – in späteren Veröffentlichungen erheblich korrigiert werden müssen. Die als “vorläufige Zahlen“ veröffentlichten Daten basieren nämlich zum großen Teil auf Schätzungen, erst bei den endgültigen Zahlen wurde die gesamte Datenbasis statistisch ausgewertet.
Es ist vor allem diese zeitliche Verzögerung, die zum verstärkten Einsatz qualitativer Indikatoren in der Konjunkturprognose geführt hat. Die entsprechenden Daten können rasch erhoben und ausgewertet werden. Qualitative Indikatoren sind zum Beispiel der Geschäftsklimaindex des deutschen ifo-Instituts, der Konjunkturindikator des Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Umfragen zum Konsumentenvertrauen, der Tankan-Bericht der Bank of Japan oder auch die viel beachteten Umfragen unter den Einkaufsmanagern (in den USA: ISM-Index).
Der Nachteil dieser Indikatoren ist, dass sie streng genommen kein quantitatives Bild der Konjunktur ermöglichen, sondern nur Aussagen über die zu erwartende Richtung der Wirtschaft und damit Prognosen über Trendwenden erlauben (im Sinne von: Verbesserung – Verschlechterung). Darüber hinaus zeichnen sie ein subjektives Stimmungsbild – und die Stimmung ist bekanntlich häufig schlechter oder besser als die Lage. Soweit die Theorie, in der Praxis werden aus den qualitativen Indikatoren auch häufig quantitative Schlussfolgerungen – z.B. für die Wachstumsrate gezogen.
Oftmals wird einzelnen Indikatoren aber erst in Kombination mit anderen Zeitreihen eine Aussagekraft für die Konjunkturentwicklung zugesprochen. Neben den Einzelindikatoren existieren daher zahlreiche Gesamtindikatoren. Der Bekannteste dürfte der Index of Leading Indicators in den USA sein. Aber auch die OECD und andere Institutionen veröffentlichen solche kombinierten Indikatoren. Die Zusammensetzung und Gewichtung wird bei diesen Gesamtindikatoren ständig in statistischen Backtests überprüft und angepasst.
Welchen Konjunkturindikator wann einsetzen?
Die wichtigste Unterteilung der Indikatoren betrifft jedoch ihre Vorlaufeigenschaften bezüglich der Konjunktur. Es gibt vorlaufende, gleichlaufende und nachlaufende Indikatoren; dazu kommen noch die Spannungsindikatoren. Diese Unterscheidung liegt darin begründet, dass unterschiedliche Variablen in einer Wirtschaft unterschiedlich schnell auf Veränderungen reagieren:
1. Vorlaufende Indikatoren sind zum Beispiel Umfragen zu den Geschäftserwartungen oder auch Zahlen über die Entwicklung der Auftragseingänge. Auch die Aktienindizes geben die Markteinschätzung über die Gewinnentwicklung der Unternehmen wieder und eignen sich als vorlaufender Indikator, obwohl die Börsianer natürlich selbst ständig auf der Suche nach mehr Klarheit über die Zukunft sind.
2. Zu den gleichlaufenden Indikatoren zählen die Produktionsindizes, der Einzelhandelsumsatz und die Veränderung der Kapazitätsauslastung. Die Kapazitätsauslastung wird allerdings in den meisten Ländern nicht wie in den USA monatlich erhoben, sondern nur vierteljährlich. Durch den Verzögerungseffekt bei der Veröffentlichung zeichnen die gleichlaufenden Indikatoren aber kein Bild der aktuellen Lage, sondern der Situation vor zwei bis drei Monaten.
3. Typische nachlaufende Indikatoren sind die Arbeitsmarktdaten wie Beschäftigtenzahl und Arbeitslosenquote, da wirtschaftliche Veränderungen erst mit einer zeitlichen Verzögerung zu Einstellungen oder Entlassungen führen.
4. Die Spannungsindikatoren schließlich zeigen Überhitzungserscheinungen an den Märkten an. Dazu zählen die Preisindizes, der Auftragsbestand und die Veränderung der Fertigwarenlager.
In den nachfolgenden Tabellen sind einige der wichtigsten Indikatoren zusammengefasst (englische Bezeichnung in Klammern), die in Abhängigkeit von den jeweiligen Marktbedingungen allesamt für Kursbewegungen am Devisenmarkt sorgen können. Angesichts der Vielzahl der verfügbaren Konjunkturindikatoren wird recht schnell deutlich, worin ihre wahre Bedeutung liegt: Es ist nicht so sehr die Möglichkeit, aus ihnen quantitative Prognosen zum Beispiel über das BIP-Wachstum abzuleiten, sondern vielmehr sich ein möglichst umfassendes – qualitatives – Bild vom Zustand der Wirtschaft und der zukünftigen Entwicklung zu machen.
Beachten Sie:
Je nach Wirtschaftslage sind dabei verschiedene Indikatoren besonders relevant. Steht die Konjunktur vor einem Wendepunkt, dann finden die Stimmungsindikatoren besondere Beachtung. Geht es darum, wie stark der Aufschwung oder der Abschwung ausfällt, wird man eher die Auftragseingänge und die Produktionszahlen unter die Lupe nehmen. Stehen möglicherweise Änderungen der Geldpolitik bevor, sollte man den Spannungsindikatoren wie den Preisindizes besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen.
Aber auch die nationalen Besonderheiten sind wichtig. So sind die USA eine stark am Binnenmarkt orientierte Wirtschaft. Besonders die Verbraucher sorgen in den USA für die konjunkturelle Dynamik; dementsprechend blickt man gespannt auf das Konsumentenvertrauen und den Einzelhandelsumsatz. Deutschland wiederum besitzt eine exportorientierte Wirtschaft, weshalb den Veränderungen in der Weltkonjunktur für die Entwicklung der deutschen Wirtschaft eine große Bedeutung zukommt.
Wichtige Konjunkturindikatoren im Überblick:
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BASF SE, ThyssenKrupp