Platin – Eine Wette auf die Wasserstoffwirtschaft?
Was für einen Preisanstieg bei Platin spricht...
(Lars Erichsen) Schon seit Jahren fristet Platin ein Schattendasein, das Edelmetall findet bei Anlegern kaum Beachtung. Das hat seine Gründe: Seit 2015 ließ sich für Investoren hier nichts verdienen, eine Unze Platin kostet heute so viel wie vor 8 Jahren. In den Jahren von 2010 bis 2015 war Platin sogar deutlich mehr wert, wie der langfristige Chart zeigt:
Palladium ist dagegen ein gutes Beispiel dafür, was passiert wenn ein Rohstoff knapp und kaum zu ersetzen ist. Wegen der steigenden Anforderungen an die Abgasreinigung und der zunehmenden Bedeutung von Katalysatoren ist die Nachfrage zeitweise stark gestiegen und der Preis des Edelmetalls hat sich von 2015 bis 2020 in etwa vervierfacht. Zur Erklärung: Bei Palladium werden 80 Prozent der Weltproduktion in Katalysatoren eingesetzt, vornehmlich in solchen von Benzinmotoren.
Einen zusätzlichen Boost erhielt die Palladiumnachfrage durch den Dieselskandal und die abnehmende Bedeutung von Dieselmotoren. Denn dadurch waren Fahrzeuge mit Benzinmotoren noch gefragter. Das chemisch eng verwandte Platin wird dagegen mehr in Katalysatoren von Dieselmotoren eingesetzt und war daher lange Zeit auf der Verliererstraße. In den letzten 12 Monaten hat sich das aber geändert: Während der Platinpreis relativ stabil blieb, hat Palladium 40 Prozent an Wert verloren.
Platinpreis schwer zu prognostizieren
Der Platinpreis unterliegt auf der Nachfrageseite mehr unterschiedlichen Einflüssen als der Palladiumpreis, da "nur" 47 Prozent der Gesamtnachfrage auf die Autoindustrie entfallen. So findet Platin auch in anderen Branchen Verwendung, z.B. in der Glasindustrie.
Vor allem aber spielen anders als bei Palladium die Schmuckindustrie (20% Anteil) und die schwer kalkulierbare Nachfrage von Investoren eine wichtige Rolle. Die Zuflüsse und Abflüsse in börsennotierte, physisch hinterlegte Platin-Fonds (ETCs) schwanken stark.
Preisbewegungen bei Platin lassen sich aber nicht nur deswegen schwer vorhersagen, sondern auch weil der globale Markt relativ klein ist und es sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite relativ wenig Einflussgrößen gibt. So ist Südafrika mit einem Anteil von 70 Prozent der wichtigste Produzent und der größte Teil der global verfügbaren Menge wird in Autokatalysatoren verwendet.
Schwankungen in der Minenproduktion in Südafrika, ja sogar der Kurs des Südafrikanischen Rands lassen den Platinpreis mitunter ebenso auf und ab springen wie Änderungen bei den Nachfrageaussichten in der Autoindustrie. So hat Südafrika strukturell bedingt schon lange mit großen Engpässen bei der Stromversorgung zu kämpfen. Das beeinträchtigt die energieintensive Platinindustrie.
Auch deswegen rechnet das World Platinum Investment Council (WPIC) in diesem Jahr nicht mit einer Zunahme des Angebots an Platin. Bei der Nachfrage erwartet der Branchenverband aber eine deutliche Zunahme, so dass es insgesamt zu einem hohen Angebotsdefizit kommt – mit mehr als 1 Millionen Unzen sogar dem höchsten seit 2013. Damals war Platin fast doppelt so teuer.
Daraus entsteht aber kein Automatismus, denn wie gesagt der Platinmarkt ist kompliziert und Prognosen liegen oft daneben. Zudem gibt es weltweit große Lagerbestände, die dieses Defizit ausgleichen können. Allerdings ist unsicher, wie lange das noch möglich sein wird. Bleibt das Angebotsdefizit so hoch wie aktuell vom WPIC prognostiziert, dann könnten die Lagerbestände Ende dieses Jahres nur noch für 5 Monate die Nachfrage decken. Und ein großer Teil dieser Lagerbestände befindet sich in China. Es ist fraglich, ob dieses Platin tatsächlich dem Weltmarkt zur Verfügung steht – und zu welchem Preis.
Die Nachfrage wächst stärker als das Angebot
Doch jenseits der aktuellen Marktlage gibt es gute Argumente dafür, dass der Platinpreis langfristig steigt. Das World Platinum Investment Council rechnet nicht nur für dieses Jahr mit einem Angebotsdefizit, sondern erwartet auch für die nächsten Jahre, dass die Nachfrage deutlich stärker wächst als das Angebot.
Einige der Gründe:
1. Platin ersetzt vielfach das ebenfalls in Katalysatoren eingesetzte, teurere Palladium. Auf stattliche 500.000 Unzen pro Jahr schätzt das WPIC diesen Substitutionseffekt.
2. Platin wird auch in Brennstoffzellen eingesetzt. Die Nachfrage ist hier noch gering, das Potenzial der Wasserstoffwirtschaft ist aber groß. China hat 2022 große Mengen an Platin gekauft und eingelagert. Ein Grund dafür könnte sein, zukünftige Nachfrage zu den aktuell günstigen Preisen abzudecken.
3. Statt Abflüssen aus den ETFs wie im Jahr 2022 gibt es wieder Zuflüsse. Ein Grund für das geringe Interesse der Anleger waren wie bei Gold die gestiegenen Zinsen. Mit der bevorstehenden Zinswende verliert dieses Argument an Bedeutung. Platin könnte auch langfristig wieder stärker in den Blickpunkt der Anleger rücken.
Doch es gibt auch Risiken: Die zunehmende Nachfrage nach Autos mit elektrischem Antrieb und die damit einhergehenden geringeren Verkaufszahlen von Autos mit Verbrennungsmotoren reduziert erst einmal den Bedarf an Platin und auch Palladium, die ja vornehmlich in Katalysatoren eingesetzt werden.
Die Erwartung, dass sich die Brennstoffzellentechnologie durchsetzt und der Platinbedarf dadurch wächst, ist erst einmal nur eine Erwartung. Noch spielt die Nachfrage aus diesem Bereich eine relativ geringe Rolle.
Mein Fazit
Platin könnte noch stärker zu einem Engpassfaktor werden, wenn die Wasserstoffwirtschaft an Fahrt aufnimmt. Manche sehen das Edelmetall sozusagen als Wette darauf. Spekulativ ist das Ganze dennoch, denn technische Entwicklungen könnten den Bedarf an Platin auch langsamer wachsen lassen als derzeit angenommen. Und es gibt wie erläutert auch Gegenwind durch den geringeren Absatz von Verbrennungsmotoren.
Doch auch kurzfristig könnte es am Platinmarkt spannend werden, falls das Angebotsdefizit tatsächlich so hoch ist wie das WPIC annimmt. Immer mehr Anleger könnten darauf setzen, dass die Knappheit den Preis in Zukunft steigen lässt, und das würde die Nachfrage zusätzlich nach oben treiben.
Charttechnisch stehen einem Anstieg des Platinpreises bislang aber große Hürden entgegen. Im Bereich von 1.100 US-Dollar je Unze kam in den letzten Monaten immer wieder Verkaufsdruck auf. Erst ein Anstieg über diese Marke würde charttechnische Bremsen lösen.
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