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Gold – Treiben die Notenbanken in Zukunft den Gold-Preis?

Russland war in den letzten Jahren einer der eifrigsten Gold-Käufer...

Gold – Treiben die Notenbanken in Zukunft den Gold-Preis?

(Lars Erichsen) Kurz nach Ausbruch des Krieges war Gold bei vielen Anlegern gefragt. Das zeigte sich nicht zuletzt daran, dass die Käufe von börsennotierten Gold-Fonds, den so genannten ETCs bzw. ETFs, in die Höhe schossen. Global gesehen wurden mit einem Plus von 269 Tonnen allein im März die Abflüsse aus den Gold-ETFs des gesamten Jahres 2021 von 174 Tonnen locker wettgemacht.

Danach ebbte die Nachfrage aber wieder ab, bei vielen Anleger rückte offenbar die Zinsentwicklung stärker in den Fokus. Höhere Zinsen machen den Besitz von Gold unattraktiver. Auch ein starker US-Dollar wirkt sich meist negativ auf den Gold-Preis aus.

Der Boom bei den ETF-Käufen hielt daher nur ein paar Wochen an, ab Anfang Mai gab es Abflüsse aus den Gold-Fonds. Unter dem Strich bleibt aber 2022 bislang immer noch ein Plus bei den Gold-ETFs von 262 Tonnen.



Welche Motive die Anleger auch immer antreiben: Die letzten Monate waren erneut ein Beweis dafür, dass die Fluktuation der Zu- und Abflüsse in die Gold-ETFs maßgeblich die kurzfristige Preisentwicklung bei Gold bestimmt. Der Gold-Preis gab nach der Spitze im März wieder deutlich nach.



Die Anleger folgen dabei unterschiedlichen Motiven, teils mit kurzfristigem, teils mit längerfristigem Zeithorizont. Das Interesse an Gold kann daher durchaus in den nächsten Monaten wieder zunehmen.

Heute möchte ich aber einen anderen spannenden Aspekt der Gold-Nachfrage in den Blickpunkt nehmen, nämlich die Käufe und Verkäufe der Notenbanken. Auch hier gibt es teils erhebliche Schwankungen, aber in den letzten Jahren entfiel auf die Käufe der Notenbanken mit etwa 15% meist ein nicht unerheblicher Teil der gesamten Gold-Nachfrage.

Die russische Notenbank hat viel Gold gekauft

Nach einem kräftigen Anstieg in den Vorjahren waren die Käufe 2020 zwar deutlich geringer. 2021 ging es aber wieder nach oben. Und die Nachfrage dürfte weiter steigen. Ein Grund dafür in dieser Hinsicht optimistisch zu sein sind die jüngsten politischen Entwicklungen.

Die Sanktionen gegen die russische Zentralbank haben vielen Notenbankern vor Augen geführt, dass Reserven in Fremdwährungen nicht wirklich sicher sind. Vermutlich hat die russische Notenbank auch deshalb schon in den letzten Jahren den Anteil von Gold an ihren Reserven deutlich von 17,1% 2017 auf aktuell 22,1% erhöht; das entspricht in absoluten Zahlen 2.100 Tonnen Gold (aktueller Marktwert etwa 128 Mrd. Euro).

Russland hat mit seinen Goldkäufen maßgeblich dazu beigetragen, dass die Notenbanken insgesamt weltweit unter dem Strich in den Jahren 2018 und 2019 so viel Gold kauften wie seit 2013 nicht mehr. Auch in den Jahren von 2014 bis 2017 zählte Russland zu den eifrigsten Gold-Käufern.




In den letzten Jahren standen meist Notenbanken von Schwellen- und Entwicklungsländern an der Spitze der Gold-Käufer. Auch in Zukunft dürften diese den in der Regel eher geringen Goldanteil an ihren Devisen-Reserven weiter erhöhen. Dazu könnte wie gesagt die Befürchtung beitragen, irgendwann selbst zum Ziel von Sanktionen zu werden. Doch das ist es nicht allein, Gold macht zudem unabhängiger vom US-Dollar und von Wechselkurs-Schwankungen.

Dazu passt die Ankündigung der russischen Notenbank, wieder Gold aus eigener Förderung kaufen zu wollen. 2020 und 2021 waren die Goldkäufe eigentlich eingestellt worden. Aber was soll Russland angesichts der Sanktionen mit den ganzen Devisen, die ja aus den Rohstoff-Exporten weiter ins Land fließen, machen, außer es in Gold anzulegen?

Das Export-Verbot für russisches Gold, das die EU und die USA verhängen wollen, könnte daher ins Leere greifen. Jedenfalls sind die Effekte auf den Weltmarktpreis vermutlich zu vernachlässigen, da auch in den letzten Jahren schon kaum Gold aus russischer Produktion in den Westen verkauft wurde. Das sagen jedenfalls die Rohstoff-Experten der Commerzbank.

Wachsendes Interesse der Notenbanken an Gold

Dass andere Notenbanken der russischen folgen werden, darauf weist die jüngste Umfrage des Branchen-Verbandes World Gold Council hin. Erstmals seit langem werden die Inflation und geopolitische Risiken von den befragten Notenbankern als Gründe genannt, die Gold-Bestände aufzustocken. Langfristig stützt das die Gold-Nachfrage und damit auch den Gold-Preis.

Die Aussichten sind daher nicht schlecht, dass die Käufe der Notenbanken 2022 wieder anziehen, dafür könnten allein schon die zusätzlichen Käufe der russischen Notenbank sorgen. Im 1. Quartal lagen die Käufe zwar über dem Niveau des Vorquartals, waren aber nicht außerordentlich hoch.

Als wichtigste Käufer traten dabei weiterhin nicht die etablierten Notenbanken mit den höchsten Gold-Beständen z.B. aus den USA, Deutschland oder Japan auf, sondern die Notenbanken von Schwellenländern.

Die Protagonisten ändern sich dabei ständig. Indien kaufte z.B. 2021 so viel Gold wie 2009 nicht mehr und Ungarn verdreifachte seine Gold-Reserven. Überraschenderweise kaufte aber Thailand 2021 das meiste Gold. Das Land trat in den Jahren zuvor selten als Goldkäufer auf, zuletzt 2017.

Im 1. Quartal 2022 war dagegen Ägypten der wichtigste Käufer unter den Notenbanken. Stark schwankend sind die Käufe der türkischen Notenbank, die im 1. Quartal – trotz oder wegen der Abwertung der Lira – zu den stärksten Gold-Käufern zählte.

Trotz der genannten zusätzlichen Gründe dürfte dabei das Hauptmotiv der meisten Notenbanken gewesen sein, die Devisen-Reserven zu diversifizieren und unabhängiger vom US-Dollar – der immer noch bei weitem wichtigsten Reserve-Währung der Welt – zu werden.

Diese Tendenz wird voraussichtlich anhalten, zumal die Notenbanken Chinas, Indiens und der meisten anderen Schwellenländer weiterhin nur einen geringen Anteil ihrer Reserven in Gold halten. So bestehen z.B. die Devisen-Reserven der Bundesbank zu 68% aus Gold (3.358 Tonnen), bei den meisten anderen Industrieländern ist die Quote ähnlich hoch, bei den USA z.B. 69% (8.134 Tonnen).

Bei China sind es dagegen nur 3,6% (1.948 Tonnen), in Indien 7,8%, Polen 9,2%, Thailand 6,6%, Taiwan 4,5%, Singapur 2,4% und Brasilien 2,2%, um nur einige Beispiele zu nennen. Höher sind die Quoten z.B. in Russland mit 22,1% und in der Türkei mit 27,8%.


Mein Fazit

Der Gold-Preis ist derzeit gedrückt, vor allem die Aussicht auf weiter steigende Zinsen belastet die Nachfrage der Finanzanleger. Das wird weiter für starke Preisschwankungen sorgen. Langfristig sind die Perspektiven für eine steigende Nachfrage aber nicht schlecht, auch wegen der möglicherweise zunehmenden Käufe der Notenbanken.

Sollten nur einige der neuen Industrieländer und Schwellenländer den Anteil von Gold an ihren Devisen-Reserven an die Quote von z.B. Russland heranführen wollen, dann würde das einen erheblichen Nachfrageschub am Gold-Markt bedeuten.

Bei Gold – wie übrigens auch bei Aktien und anderen Anlageformen – solltest Du aber unbedingt die langfristige und die kurzfristige Perspektive auseinanderhalten. Langfristig halte ich zur Absicherung gegen Krisen und zur Diversifikation einen Anteil von 10 bis 15% Gold am Anlage-Depot für angemessen. Am besten physisch in Form von Münzen oder Barren. Das wachsende Interesse der Notenbanken an Gold liefert für diese Sichtweise ein weiteres Argument.

Bei kurz- und mittelfristigen Positionen orientiere ich mich aber vor allem an der aktuellen charttechnischen Einschätzung zum Gold-Preis. Und diese liefert bisher noch keine Signale für eine Wende nach oben.

Bildquellen:
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