Warum steigt der DAX?
Rezession und gleichzeitig Rekordhoch beim DAX – Wie passt das zusammen?
(Lars Erichsen) Die Lage der deutschen Wirtschaft war schon lange nicht mehr so schlecht wie derzeit. Vor einem halben Jahr gab es noch die Hoffnung, die Konjunktur könnte sich Ende 2024 und vor allem 2025 spürbar beleben,das sieht heute kaum noch ein Wirtschaftsforscher so. Im nächsten Jahr ist nach 2 Jahren mit einem leicht schrumpfenden Bruttoninlandsprodukt allenfalls ein Miniwachstum drin.
Dabei gibt es durchaus gute Gründe für die Annahme, dass die deutsche Konjunktur bremsenden Effekte abnehmen. Erstens sinken die Zinsen, was der Bauwirtschaft aus der Rezession helfen und auch die allgemeine Investitionstätigkeit wieder ankurbeln dürfte. Zweitens nimmt die Inflation ab, während gleichzeitig die Löhne steigen, was zu mehr Kaufkraft und einer besseren Konsumlaune führen dürfte. Der für die deutsche Wirtschaft so wichtige Exportsektor ist dagegen eine große Unbekannte. Die Hoffnungen richten sich nicht zuletzt auf eine stärkere Nachfrage aus China, aber für die Weltkonjunktur insgesamt wird 2025 nicht mit einer Beschleunigung gerechnet.
Konjunkturschwäche trifft auf Strukturprobleme
Doch selbst wenn die Konjunkturkräfte wieder Rückenwind geben, die strukturellen Wachstumshemmnisse werden eher stärker. Welche das sind, muss ich hier wohl nicht im Detail aufzählen, denn es wird ja täglich in den Medien durchgekaut: Die Krise der Autoindustrie, die immer noch hohen Energiepreise und die lähmende Bürokratie sind dabei nur 3 Punkte. Ob damit der wirtschaftliche Abstieg Deutschlands beschlossene Sache ist oder ob entsprechende Untergangsszenarien vor allem Klicks und mediale Aufmerksamkeit bringen, steht auf einem anderen Blatt.
Wer sich das wichtigste deutsche Börsenbarometer, den DAX, ansieht, mag sich allerdings die Augen reiben. Wirtschaftliche Tristesse landauf, landab hält den Index nicht von neuen Rekordhochs ab:
Wie passt das zusammen? Ist die Krise doch nicht so schlimm wie viele sagen oder hat der Aktienmarkt den Bezug zur Realität verloren? Weder noch. Sieht man sich die Entwicklung am deutschen Aktienmarkt genauer an, dann wird das Bild differenzierter:
1. Es steigen keineswegs alle Aktien im DAX
Der Index hat zwar seit Jahresbeginn um 17% zugelegt, aber Titel aus der kriselnden Autoindustrie wie z.B. BMW (-21%), Continental (-19%), Porsche (-13%) und Volkswagen (-12%) haben deutlich verloren. Auch andere zyklische, sprich von Konjunkturschwankungen abhängige Aktien wie BASF, Brenntag, Covestro, Airbus und Siemens haben sich unterdurchschnittlich entwickelt.
2. Der Kursanstieg beim DAX wird von der starken Performance einiger Schwergewichte getragen
Vor allem SAP, der mit einem Gewicht von 15% bei weitem wichtigste Indexwert, hat mit seinem Kursanstieg von über 60% zur starken Performance des DAX in diesem Jahr beigetragen. Auch die Allianz (DAX-Gewicht 8,4%), die Deutsche Telekom (7,1%) und die Münchener Rück (4,8%) zählen als Indexschwergewichte zu den Outperformern in diesem Jahr.
3. Die DAX-Konzerne erzielen nur einen kleinen Teil ihres Umsatzes in Deutschland
Die meisten der 40 DAX-Unternehmen sind international aufgestellt und im Ausland laufen die Geschäfte oftmals besser als in Deutschland. Ein Beispiel dafür ist die Deutsche Telekom, die von der guten Entwicklung bei ihrer US-Tochter profitiert.
Bei den so genannten Nebenwerten, also den Aktien mittelgroßer und kleiner Unternehmen sieht das häufig anders aus, diese sind stärker vom deutschen Markt abhängig. MDAX und SDAX als die Aktienindizes mittelgroßer und kleiner Unternehmen haben sich seit Jahresbeginn deutlich schwächer entwickelt als der DAX und treten mehr oder weniger auf der Stelle, wie der Vergleichschart zeigt:
Ähnlich sieht es beim Technologieindex TecDAX aus, obwohl hier auch SAP und die Deutsche Telekom enthalten sind.
Die Entwicklung der Nebenwerteindizes passt viel besser zur Lage der deutschen Konjunktur als die des DAX, das war auch in der Vergangenheit oftmals so.
Mein Fazit
2 Schlussfolgerungen lassen sich ziehen:
1. Aktienindizes sind häufig kein Spiegelbild der wirtschaftlichen Lage des jeweiligen Landes. Das gilt nicht nur für den DAX. Wie immer ist auch hier ein differenzierter Blick nötig.
2. Wer sich als Anleger antizyklisch verhalten und breit streuend auf eine Erholung der deutschen Wirtschaft setzen möchte, sollte dafür eher den MDAX oder den SDAX wählen. Allerdings fehlt mir persönlich für eine solche Spekulation bislang die Grundlage.
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