Wirecard: Short-Attacke! Kursrutsch zum Einstieg nutzen?
Gerüchte ließen die Aktie des Bezahldienstleisters abstürzen. Das gab es schon einmal 2016.
(Dr. Detlef Rettinger) Die TecDAX-Aktie Wirecard stürzte in der letzten Woche ab. Am Dienstag gab es zeitweise einen Tagesverlust von mehr als 12 Prozent, bevor sich der Kurs wieder stabilisieren konnte. Anlass dafür waren im Internet aufgetauchte Berichte, das Geschäftsmodell beruhe auf heißer Luft, die Wachstumszahlen seien nicht echt.
Urheber ist die Southern Investigative Reporting Foundation. Vor der haben Sie noch nie etwas gehört? Ich auch nicht. Daher drängte sich auch schnell der Verdacht auf, es handele sich nur um gezielt gestreute Gerüchte, um einen Kurssturz zu verursachen, von dem sich dann profitieren lässt. In Fachkreisen nennt sich das Short-Attacke.
Die Short-Seller bauen auf den Déjà-Vu-Effekt
Wirecard ist nicht das erste Mal Opfer einer solchen Attacke und bietet sich daher für solche Aktionen – die im Übrigen natürlich strafbar sind – geradezu an. Denn immer noch wird die TecDAX-Aktie mehr mit den 2016 gestreuten Gerüchten, die ebenfalls Zweifel am Geschäftsmodell wecken sollten, in Verbindung gebracht, als mit dem Kursanstieg um mehr als 200 Prozent in den letzten beiden Jahren.
Letzteres macht den Bezahldienstleister nämlich eigentlich zu einem der erfolgreichsten deutschen Unternehmen der letzten Jahre, jedenfalls gemessen an der Aktienkursentwicklung. Ist an den Vorwürfen etwas dran? Wahrscheinlich nicht. Die Gerüchte von 2016 wurden jedenfalls nicht bestätigt.
Allerdings ist das Geschäftsmodell von Wirecard relativ kompliziert und das Wachstum des Unternehmens mit Zukäufen ist hoch. Der Umsatz hat sich von 2014 bis 2018 verdreifacht! Dadurch werden die Bilanzen schwer durchschaubar, was die Aktie für Zweifel und Short-Attacken geradezu prädestiniert. Wirecard ist also kein "zufälliges Opfer".
Bei Goldman Sachs steht Wirecard auf der Empfehlungsliste
Seriöse Analysten – damit meine ich die Aktienexperten bekannter Banken – teilen die Kritik jedenfalls nicht. So steht das Papier z.B. bei Goldman Sachs auf der "Conviction Buy List" und das Kursziel wurde erst Mitte Januar von 98 auf 135 Euro angehoben. Vom aktuellen Kursniveau aus wären das mehr als 35 Prozent Potenzial.
Ganz so optimistisch sind aber nicht alle. So haben die Experten von Merril Lynch die Aktie vor kurem auf "halten" abgestuft, nachdem ihr Kursziel von 107 Euro erreicht wurde. Der Nachrichtendienst Thomson Reuters hat 27 Schätzungen gesammelt, wobei das durchschnittliche Kursziel bei 95 Euro liegt, das entspricht in etwa dem aktuellen Kurs. Allerdings steht nur bei drei Experten die Aktie auf "Verkaufen" und das niedrigste Kursziel von 40 Euro zieht den Durchschnittswert stark nach unten.
Hohes Wachstum und hohe Bewertung machen die Aktie riskant
Nun wäre es nicht das erste Mal, das sich auch renommierte Experten irren. Der Imageverlust ist überschaubar, denn man kann ja im Nachhinein einfach auf Falschinformationen durch das Unternehmen verweisen. Aber ich glaube nicht, dass das hier der Fall ist.
Allerdings birgt der extreme Wachstumskurs Risiken und die Aktie ist mit einem KGV2018e von36,8 hoch bewertet. Sollte sich die eine oder andere Erwartung nicht erfüllen oder ein Deal platzen, dann besteht ein großes Rückschlagsrisiko. Es ist daher möglicherweise nur eine Frage der Zeit, bis noch weitere Analysten die Aktie von "Kaufen" auf "Halten" abstufen. Auch deswegen war der Zeitpunkt für eine neue Short-Attacke auf Wirecard gut gewählt.
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WKN / ISIN
747206 / DE0007472060 -
Aktueller Kurs
97,54 EUR -
KGV 2018e / 2019e
48,2 / 36,8 -
Dividendenrendite 2018e
0,2 Prozent -
Meine Einschätzung
kurzfristig langfristig
Kurz und kompakt
Die Short-Seller waren bereits erfolgreich, die Wirecard-Aktie ist zeitweise um mehr als 12 Prozent abgestürzt. Ist jetzt der Zeitpunkt für einen Einstieg in die Aktie gekommen? Das wäre sehr riskant, auch wenn die Gerüchte wahrscheinlich falsch sind. Wirecard hat eine enorme Kursrallye hinter sich, die Aktie ist hoch bewertet und es könnten weitere Abstufungen von Analysten kommen. Die Korrektur kann sich daher durchaus noch fortsetzen.
Spekulative Anleger sollten ihre Entscheidung von der Charttechnik abhängig machen. Solange sich die Aktie über der Unterstützung bei 94,00 Euro und dem in diesem Bereich verlaufenden Aufwärtstrend hält, kann es eine Kurserholung geben. Long-Positionen in der Aktie oder in Hebelprodukten auf die Aktie sollten daher mit einem Stop-Loss unterhalb von 94,00 Euro abgesichert werden. Ein Einstieg jetzt ist wie gesagt sehr riskant, bietet allerding auch große Chancen, wie der Kursverlauf der Wirecard-Aktie in den letzten Jahren gezeigt hat.
Themen: Short-Attacke, Short-Seller, Gerüchte, Bilanzmanipulation, Umsatz, Wachstum, Gewinn, Aktie
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