DAX – Haben die Notenbanken ihr Pulver verschossen?

Reichen auch Zinssenkungen nicht, um die Aktienkurse weiter zu treiben?

(Lars Erichsen) In der letzten Woche gab es einen Fall von „buy the rumour – sell the news“, wie er im Lehrbuch steht. Zuerst sorgte der Ausblick auf weitere geldpolitische Maßnahmen der Europäischen Zentralbank EZB für steigende Notierungen beim DAX.

Was dann aber der EZB-Chef Mario Draghi am 25. Juli verkündete, reichte nicht aus, um die hoch gesteckten Erwartungen zu erfüllen. Der DAX fiel wieder zurück:



Zudem sprach der EZB-Chef von Uneinigkeit unter den Mitgliedern des EZB-Rats, was die Details möglicher geldpolitischer Lockerungsmaßnahmen betrifft. Außerdem sei eine Zinssenkung noch nicht diskutiert worden. Es bleibt also die Erkenntnis, dass die EZB über kurz oder lang die Geldschleusen weiter öffnen wird, nur die Frage nach dem Zeitpunkt ist ungeklärt.

US-Notenbank vor wichtiger Richtungsentscheidung

Mario Draghi betonte die Belastungen aus dem Handelskonflikt zwischen den USA und China, sprach aber auch von einer nur geringen Gefahr für eine Rezession. Ähnliches könnte vom Vorsitzenden der US-Notenbank FED, Jerome Powell, zu hören sein, der heute Abend nach 20:00 Uhr MESZ die Ergebnisse der mit Spannung erwarteten FED-Sitzung kommentieren wird.

Allerdings scheint im Gegensatz zur EZB bei der FED eine Senkung des Leitzinses um 25 Basispunkte auf dann 2,00 bis 2,25 Prozent so gut wie sicher. Mehr werden die US-Notenbanker vermutlich nicht liefern, eine Senkung um 50 Basispunkte – mit der bis vor kurzem noch der eine oder andere an der Börse rechnete – ist unwahrscheinlich.

Das würde nicht zu den in letzter Zeit veröffentlichten Konjunkturdaten passen. Diese zeigen zwar eine Wachstumsabschwächung an, aber keine Rezession. So reduzierte sich die annualisierte Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts im 2. Quartal von 3,1 auf 2,1 Prozent, das entspricht jedoch immer noch einer gar nicht so geringen Zunahme von 0,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal.

Zum Vergleich: Für Deutschland wird mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,2% gerechnet.

Dieser Unterschied spiegelt sich in der schwachen Performance des DAX im Vergleich zum US-Aktienindex S&P 500 wider. Sogar der Euro Stoxx 50 mit den 50 größten Aktien der Eurozone entwickelte sich seit Anfang 2018 besser:



Die US-Notenbanker sind sich nicht einig

Eine drastische Zinssenkung durch die US-Notenbank würde angesichts der (noch) soliden Konjunktur eher für Verunsicherung an den Märkten sorgen. Zudem ist der Zentralbankrat in den USA über die Frage der weiteren Geldpolitik gespalten, zumindest zwei Mitglieder im zehnköpfigen geldpolitischen Entscheidungsgremium haben sich im Vorfeld gegen eine Zinssenkung ausgesprochen.

Das gab es lange nicht. Die letzten drei Mal, als die US-Notenbank eine Zinswende nach unten einleitete, nämlich 1998, 2001 und 2007, fiel die Entscheidung einstimmig.

Besonders pikant: Eric Rosengren, der sich nun gegen eine Zinssenkung ausspricht, votierte 2007 dafür. Das spricht gegen allzu drastische Maßnahmen und eher für eine Kompromisslösung – und die wäre mit einer Senkung um 25 Basispunkte gegeben.

Die Unternehmen sind stark verunsichert

Dazu kommt, dass den Notenbanken insgesamt ihr derzeit begrenzter Einfluss auf die Konjunktur bewusst ist. Auch in den USA ist – wie in Deutschland – die Wachstumsschwäche vor allem auf einen Rückgang der Exporte und der Unternehmensinvestitionen im Zuge des Handelsstreits und der Wachstumsschwäche in China zurückzuführen.

Der private Konsum war in den USA dagegen auch im 2. Quartal mit einem Plus von 4,3 Prozent die wichtigste Wachstumsstütze. Voraussichtlich robust ausfallende US-Arbeitsmarktdaten für Juli dürften am Freitag zeigen, dass sich daran auch so schnell nichts ändern wird. Die Arbeitslosenquote befindet sich auf einem langjährigen Tiefstand von 3,7%. Während der Rezession 2009 lag sie bei 10%!



Zinssenkungen können auf der einen Seite verunsicherte Unternehmen nicht zu höheren Investitionen bewegen, verleiten aber auf der anderen Seite möglicherweise die Haushalte zu einer übermäßigen Verschuldung. Das birgt die Gefahr von Kreditausfällen zu einem späteren Zeitpunkt.

Im Handelsstreit ist keine Lösung in Sicht

Im Handelsstreit besteht allerdings nur geringe Hoffnung auf Entspannung, die Verunsicherung wird also bleiben. Zwar ist eine US-Delegation nach China gereist, um die Gespräche wieder aufzunehmen, aber die US-Regierung hat die Hoffnung auf einen baldigen Deal gedämpft. Zu Recht. Offenbar ist aktuell das Interesse an einer echten Einigung gering. Donald Trump wäre wohl schon zufrieden, wenn China wieder die Agrarimporte hochfährt, damit seine Wählerbasis im Mittleren Westen nicht von der Fahne geht.

Mein Fazit

In den letzten Wochen wurden die Kurse von der Aussicht auf eine geldpolitische Lockerung angetrieben. Wie nach der EZB-Sitzung könnte es auch nach der FED-Sitzung zu Gewinnmitnahmen kommen. Das ist aber Spekulation und hängt vom genauen Wortlaut des Statements nach der Sitzung ab!

Besonders wenn im Zentralbankrat keine Einstimmigkeit zustande kommt, würde das den Glauben an einen längeren Zinssenkungszyklus sehr schwächen. Und dieser Glaube hat die Aktienkurse in den letzten Wochen angetrieben.

Während kurzfristig eine Korrektur möglich ist, wird aber die Aussicht auf sinkende oder wenigstens dauerhaft niedrige Zinsen die Aktienkurse langfristig nach oben treiben. Es gibt eben kaum andere Anlagemöglichkeiten, die Renditen abwerfen. Solange die Wirtschaft nicht komplett in eine Rezession abrutscht – und davon gehe ich nicht aus – werden Aktien gefragt bleiben.

Das gilt aber nicht für alle Aktien. Banken und Versicherungen z.B. werden durch die niedrigeren Zinsen belastet. Es wird also noch wichtiger, bei der Anlage die richtigen Aktien auszuwählen. Und die sind wegen der relativ hohen Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von einem funktionierenden Welthandel eher nicht hierzulande zu finden.

4 Gründe optimistisch zu sein