Wo endet der Bullen-Markt?

(Lars Erichsen) Auch wenn der Zoll-Konflikt mit Kanada und Mexiko in letzter Minute um einen Monat verschoben wurde, so haben die von US-Präsident Donald Trump verfolgten Zollpläne gegen Kanada, Mexiko und China (die EU soll bekanntlich auch noch folgen) die Märkte in Aufruhr versetzt. China reagierte prompt mit Gegenzöllen.

Am Montag eröffneten die Börsen sehr schwach, Aktien und Kryptos standen stark unter Druck. Viele Anleger fragen sich zurecht, wie es nun weitergehen könnte. Doch trotz des Rücksetzers vom Wochenanfang befinden wir uns immer noch per Definition in einem Bullen-Markt. Doch wo würde der Bullen-Markt enden?

Pauschale Aussagen helfen nicht weiter

Damit keine Missverständnisse entstehen, macht es Sinn, sich zunächst mit einigen Definitionen zu beschäftigen. Ein Bullen-Markt bezeichnet eine längere Phase, in der die Kurse meist steigen und die Stimmung unter Anlegern überwiegend optimistisch ist.

Typischerweise spricht man von einem Bullen-Markt, wenn die Aktienkurse über einen längeren Zeitraum um mindestens 20 Prozent über einem vorherigen Tiefststand liegen. Zu den typischen Merkmalen eines Bullen-Marktes gehören:

• Anhaltender Kursanstieg: Die Kurse steigen stetig, oft beflügelt durch positive Wirtschaftsdaten, starke Unternehmensgewinne oder niedrige Zinsen

• Optimistische Anlegerstimmung: Die Marktteilnehmer erwarten weitere Kursgewinne, was zu verstärkter Kaufbereitschaft führt

• Vertrauen in die Wirtschaft: Ein Bullen-Markt signalisiert in der Regel, dass Investoren an das zukünftige Wachstum und die Stabilität der Wirtschaft glauben

• Selbsterfüllende Dynamik: Die positive Marktstimmung kann dazu führen, dass immer mehr Anleger in den Markt einsteigen, was den Aufwärtstrend zusätzlich verstärkt

All diese Punkte trafen in den letzten Jahren auf die bekannten Marktbarometer wie den S&P 500, den Nasdaq-100 und auch auf den DAX zu. Kursrückschläge waren daher auch fast immer gute Kaufgelegenheiten. Doch ist das auch diesmal der Fall?

Eine Vorhersage ist schwierig und seriöserweise nicht anhand einzelner Indikatoren vorherzusagen. Kennzeichen des Endes von Bullen-Märkten sind oftmals geprägt von:

• Sinkenden Unternehmensgewinnen: Bislang sind allgemein rückläufige Gewinne noch nicht festzustellen. Trumps Zölle könnten dies ändern

• Steigende Volatilität: Die Volatilität ist zwar angesprungen, befindet sich aber noch deutlich unter den Werten früherer Bären- oder Crashphasen

• Wachsenden Credit-Spreads: Es gibt Hinweise darauf, dass sich die Renditen von Unternehmensanleihen gegenüber denen von Staatsanleihen ausweiten

• Verändertes Anlegerverhalten: Noch ist keine allgemeine Flucht aus Aktien am Markt zu sehen

• Korrekturen und wiederholten Rücksetzern: Hier könnten wir in dieser Woche den Auftakt erlebt haben

• Makroökonomischen Veränderungen: Trumps Zollpolitik ist eine solche Veränderung, die großen Einfluss nehmen könnte

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es zwar einige Hinweise darauf gibt, dass der Bullen-Markt sich seinem Ende nähern könnte, allerdings sind die Signale noch lange nicht eindeutig genug, um vom Beginn einer grundlegend neuen Marktphase ausgehen zu können. Auch weil die Politik von Donald Trump ein hohes Maß an Unsicherheit mitbringt, kann sich die Einschätzung auch schnell wieder in die andere Richtung ändern.

Die Verschiebung der Zölle gegen Mexiko und Kanada um einen Monat kann als Beispiel genannt werden, ebenso die Äußerungen Trumps, der Ukraine nun doch Waffen liefern zu wollen, wenn die USA im Gegenzug Rohstoffe bekämen. Doch das nur am Rande.

Und was sagt die Charttechnik?

Damit wir nicht nur über Theorie sprechen, möchte ich beim Nasdaq-100, dem S&P 500 und dem DAX zumindest aus charttechnischer Sicht meine Einschätzung teilen, wann bei diesen drei Indizes Kipp-Punkte erreicht sein könnten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit das Ende des jeweiligen Bullen-Marktes bedeuten würden:


S&P 500 – Unterstützungszone zwischen 4.800 und 4.600 Punkten

Im Chart oben habe ich die wichtige Unterstützungszone zwischen 4.800 und 4.600 Punkten eingezeichnet, außerdem einen langfristigen Aufwärtstrend (grüne Linie), der Anfang 2016 seinen Ursprung hat. Dieser Aufwärtstrend verläuft derzeit genau in der Unterstützungszone.

Ein Bruch dieses Chartlevels hätte hohe Signifikanz und das Potenzial, den sehr langen Aufwärtstrend des S&P 500 nachhaltig zu beschädigen. Doch Achtung: Wie der Corona-Einbruch 2020 zeigt, können sich Märkte auch schnell wieder erholen und vorherige Bärensignale wieder negieren.

Nasdaq-100 – Ich habe den Bereich von 17.000 bis 16.500 Punkten im Blick

Beim US-High-Tech-Index sieht der Chart ähnlich aus, was angesichts der Dominanz der Magnificent 7-Aktien sowohl im S&P 500 als auch im Nasdaq-100 keine Überraschung ist. Hier verorte ich die Unterstützungszone zwischen 17.000 und 16.500 Punkten als den Chartbereich, auf den ich mein besonderes Augenmerk legen würde.

DAX – Hier screene ich die Marke von 18.900 Punkten

Während die beiden US-Indizes noch relativ viel Luft nach unten haben, ehe ein Ende des Bullen-Marktes droht, schätze ich die Lage beim DAX etwas anders ein. Hier sehe ich den Bereich von rund 18.900 Punkten als maßgeblich an, denn eine Unterschreitung dieser Chartmarke könnte eine Verkaufsdynamik entfachen, die den DAX noch sehr viel weiter nach unten drückt. Auch hier gilt jedoch, es gibt keinen Automatismus!

Mein Fazit

Der Bullen-Markt ist trotz des jüngsten Rückschlags intakt und (Stand heute) auch noch nicht in Gefahr. Die beiden großen US-Indizes könnten theoretisch um über 20 Prozent fallen, der DAX um rund 11 Prozent, ohne dass die langfristigen Aufwärtstrends gebrochen würden. Erst wenn es noch tiefer gehen würde, müssten wir von dem Beginn eines Bären-Marktes ausgehen.

Freilich ist eine solche Einschätzung immer auch von der Wahl des Betrachtungs-Intervalls abhängig. Je länger der Untersuchungszeitraum ist, umso mehr Aufwärtstrendlinien lassen sich aus lange zurückliegenden Bullen-Märkten identifizieren. Langfristig tendieren Aktien eben immer zum Steigen, daran änderte bislang keine einzige Bären-Marktphase etwas. Diese Einsicht hilft mir, Ruhe zu bewahren, wenn es an den Märkten mal wirklich ernst werden sollte.

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