Jetzt mit ETFs auf Europa setzen?
(Lars Erichsen) Jahrelang war es ein „No-Brainer“, im Depot auf US-Aktien zu setzen, man konnte kaum etwas falsch machen. Dies scheint sich nun zu ändern. Die Schlagzeilen der letzten Tage haben daher immer wieder die seit einigen Wochen ungewöhnlich schwachen US-Aktienmärkte thematisiert, dazu kommt ein plötzlich wieder starker Euro, der sich in die Portfolios von Sparern eingräbt, die einen großen Teil ihrer Anlagen in US-Basiswerten investiert haben.
Zu diesen gehören nicht nur ETFs auf US-Basiswerte wie der Nasdaq-100 oder der S&P 500, sondern auch die beliebten ETFs auf den MSCI World, in dem US-Aktien mit über 70 Prozent ebenfalls sehr hoch gewichtet sind. Anleger aus der Eurozone müssen nicht nur die Kursverluste der Wall Street verarbeiten, sondern auch die nicht zu unterschätzenden Währungs-Verluste durch den starken Euro.
Rotation in europäische Aktien
In meinem Video „MSCI-World-ETF: Jetzt verkaufen?“ vom Montag, habe ich mich bereits mit dieser Thematik auseinandergesetzt. Darin habe ich klargestellt, dass ich kein Bashing des US-Aktienmarktes betreibe und auch niemanden davon abbringen möchte, seinen MSCI World ETF zu besparen.
Ich bin allerdings der Meinung, dass der US-Anteil im Portfolio eines deutschen Anlegers gewisse Grenzen nicht überschreiten soll. Neben asiatischen Aktien bieten sich als Depotbestandteile aktuell ganz besonders auch europäische Aktien an, denn es hat eine Rotation aus US-Aktien in europäische Aktien eingesetzt, die das Potenzial für eine längerfristige Bewegung hat.
Doch welcher der möglichen Basiswerte für Europa-ETFs kommt in Frage? Wenn man spezielle Basis-Werte wie Branchen-Indizes (z.B. auf Bank-Aktien) oder Small Caps (Nebenwerte) außer Acht lässt, bleiben drei Europa-Indizes als Basis-Werte übrig: Der Stoxx Europe 600, der MSCI Europe und der Euro Stoxx 50.
Im Chart oben wird deutlich, dass alle drei Europa-Indizes sich gleichlaufend entwickeln, dass der Euro Stoxx 50 mit den großen Standard-Aktien aber vor allem in den letzten beiden Jahren besser performte als der Stoxx Europe 600 und der MSCI Europe.
Die letzten beiden Indizes investieren sehr breit in hunderte von europäischen Aktien inklusive Aktien aus der Schweiz, Großbritannien und Skandinavien, während der Euro Stoxx 50 sich auf die größten börsennotierten Aktien aus der Eurozone beschränkt.
Natürlich ist dies keine Garantie dafür, dass die Outperformance der Blue Chips sich auch in Zukunft fortsetzen wird, denn wenn der Konjunkturaufschwung in Europa an Breite gewinnen wird, werden sich auch die Aktien von mittleren und kleinen Unternehmen wieder besser entwickeln. Für ein besseres Verständnis habe ich drei große ETFs auf die genannten Basiswerte herausgesucht und für einen Vergleich gegenübergestellt:
Die Europa-ETFs unterscheiden sich vor allem bei der Portfoliozusammensetzung. Im Stoxx Europe 600 sind 608 verschiedene Positionen enthalten, im MSCI Europe 415 und im Euro Stoxx 50 nur die zu erwartenden 50 Aktien. Die Positionsanzahl hat direkte Auswirkungen auf die Streuung: Im Stoxx Europe 600 ETF und im MSCI Europe ETF beträgt das Gewicht der 10 am höchsten gewichteten Aktien rund 20 Prozent, während die Top 10 im Euro Stoxx 50 fast 44 Prozent des gesamten Portfolios ausmacht.
Auch bei den Top 10-Aktien selbst wird das Indexkonzept sehr deutlich. Während die Schwergewichte im Stoxx Europe 600 und im MSCI Europe mit etwa 2,3 bis 2,7 Prozent gewichtet sind (ASML, Novo Nordisk, SAP), ist die Gewichtung im Euro Stoxx 50 ETF viel höher. ASML ist dort mit 7,9 Prozent vertreten, SAP mit 7,1 Prozent.
Doch was ist nun besser?
Pauschal lässt sich diese Frage nicht beantworten. In den letzten 3 Jahren ist man mit dem Euro Stoxx 50-ETF besser gefahren (siehe Tabelle oben), weil vor allem die Aktien der größten Unternehmen gefragt waren. Sollte Europa vor einem Konjunkturaufschwung stehen, weil z.B. große Infrastrukturprogramme aufgelegt werden oder die Rüstung massiv ausgebaut wird, dann dürften auch mittlere und kleinere Unternehmen und deren Aktien profitieren. Die marktbreiten Indizes hätten dann wohl wieder die Nase vorne. Auch aus Sicht der Risikostreuung ist ein breit aufgestelltes Depot einem kleineren Portfolio vorzuziehen.
Mein Fazit
Europäische Aktien sind wieder attraktiv geworden. Welcher Index bzw. ETF nun der richtige für das Depot ist, kommt auf das Anlageziel an.
Der Stoxx Europe 600 und der MSCI Europe bieten eine sehr breite Diversifizierung. Die größere Streuung kann helfen, das Risiko einzelner Branchen oder Länder abzumildern und hat in der Vergangenheit tendenziell zu soliden langfristigen Renditen geführt. Wer außerdem auf eine Aufholbewegung bei mittleren und kleineren Unternehmen setzen möchte, kommt an einem marktbreiten Ansatz nicht vorbei.
Der Euro Stoxx 50 mit den liquidesten Blue-Chip-Unternehmen der Eurozone performt zwar stärker, wenn die Börse vor allem auf bekannte Großunternehmen setzt, ist aber bei möglichen Marktturbulenzen auch stärkeren Schwankungen ausgesetzt. Ein ETF auf den Euro Stoxx 50 bietet sich daher an, wenn man z.B. erwartet, dass sich die Kapitalzuflüsse auch zukünftig vor allem auf die Großkonzerne konzentrieren wird.
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