ETFs für ein gutes Gewissen!?
ESG- und SRI-ETFs – Wie gut sind sie und was solltest Du beachten?
(Lars Erichsen) Angesichts zahlreicher anderer Krisen und Probleme scheint etwas in den Hintergrund getreten zu sein, dass der Umbau der Energiewirtschaft und die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern herausragende Themen unserer Zeit sind. Das Ziel Klimaschutz bleibt auch am Aktienmarkt im Blickpunkt.
Nachhaltiges Investieren ist aber schon länger ein großes Thema, in der Fondsbranche steht dafür unter anderem das Kürzel ESG. Allerdings versteht man darunter deutlich mehr als Umweltschutz, genauer gesagt steht ESG für Environment (Umwelt- und Klimaschutz), Social (z.B. Arbeitssicherheit, keine Kinderarbeit) und Governance (verantwortungsvolle Unternehmensführung).
Indexanbieter oder Fondsgesellschaften filtern das Aktienuniversum nach den ESG-Kriterien, für die es aber keine einheitlichen Standards gibt. Manche Branchen wie „umstrittene Waffen“, Tabak und Ölsand werden ganz ausgeschlossen. Danach folgt ein positives Screening. Das heißt: Unternehmen, die sich in Bezug auf ESG positiv in ihrem Sektor hervortun, werden höher gewichtet. Das klingt schwer nachvollziehbar und das ist es auch. Das Verfahren nach SRI (Socially Responsible Investing) geht ähnlich vor, legt aber strengere Kriterien an als die ESG-Filter. SRI-Indizes werden vor allem vom Indexanbieter MSCI berechnet.
So wünschenswert diese Ziele sind, in der Praxis ist die Abgrenzung schwierig. In Deutschland gilt die Energieerzeugung mit Erdgas als „Brückentechnologie“ und an der Atomkraft scheiden sich ohnehin die Geister. Auch die Rüstungsindustrie wird zur Verteidigung benötigt, die Einstellung hat sich hier deutlich gewandelt.
Doch auch in anderen ESG-Bereichen tauchen Probleme auf, denn wie lässt sich im konkreten Fall messen, wie nachhaltig und ethisch ein Unternehmen wirklich agiert? Schönfärberei, sprich Green-Washing, liegt nahe, um bei Anlegern nicht in Verruf zu geraten.
SRI-ETFs sind deutlich strenger als ESG-ETFs
Jenseits der lobenswerten Absicht und der schönen Worte ist die Praxis interessant. Wie wirken sich z.B. ESG-Kriterien auf die Zusammensetzung eines ETF aus, der den europäischen Aktienmarkt abbilden soll? In den ohne weitere Anpassungen nach Marktkapitalisierung gewichteten, aktuell 418 Aktien umfassenden ETFs auf den MSCI Europe Index, wie z.B. dem Xtrackers MSCI Europe ETF (WKN: DBX1ME), steht Nestlé mit einem Anteil von 2,45 Prozent an Stelle 3. Im iShares MSCI Europe ESG Screened ETF (WKN: A2N48D) ist die Aktie gar nicht enthalten, ebenso wenig wie der andere große Nahrungsmittelkonzern Unilever (Nr. 11 im MSCI Europe ETF).
Insgesamt sind aber nur wenige Unternehmen für die ESG-Variante des MSCI Europe Index vollständig aus dem Raster gefallen, der genannte ETF enthält 385 Aktien, und damit nur 33 weniger als der Xtrackers MSCI Europe ETF. So hat es z.B. auch der Ölkonzern Shell in den ESG-Index geschafft, und zwar mit einem höheren Anteil als im MSCI Europe ETF.
Viel strenger sind offenbar die SRI-Kriterien, der iShares MSCI Europe SRI ETF (WKN: A1H7ZS) enthält nur 115 Werte. In diesem fehlen von den Top 10 des MSCI Europe Index neben Nestlé auch die anderen beiden Schwergewichte am Schweizer Aktienmarkt, die Pharmakonzerne Roche und Novartis. Ebenfalls nicht enthalten sind der Luxusgüterkonzern LVMH, die Ölunternehmen Shell und Total, die Großbank HSBC sowie das britische Pharmaunternehmen AstraZeneca.
Trotz der sehr unterschiedlichen Zusammensetzung vor allem des SRI-ETFs, zeigt der Vergleich der Kursentwicklung der drei ETFs (inklusive Dividenden) einen erstaunlich ähnlichen Verlauf. Bei der Performance hat der SRI-ETF auf Sicht der letzten 3 Jahre schwächer abgeschnitten. Das liegt u.a. an der in diesem Zeitraum relativ guten Performance der nicht im ETF enthaltenen Ölaktien. Total und Shell haben im dargestellten Zeitraum zwischen 100 und 113 Prozent zugelegt.
Langfristig sieht das Bild etwas anders aus: Seit Anfang 2019 hat der SRI-ETF den ESG- und den allgemeinen MSCI Europe ETF outperformt, auf den gesamten Zeitraum gesehen hat er um etwa 10 Prozent besser abgeschnitten. Zwischen dem MSCI Europe und dem MSCI Europe ETF ist dagegen auch langfristig kein Unterschied feststellbar.
Mein Fazit
Darfst Du mit einem ESG- oder SRI-ETF zu Recht ein besseres Gewissen beim Investieren haben? Diese Frage kannst Du nur für Dich selbst beantworten. Klar ist: Man muss den zugrunde gelegten Auswahlkriterien vertrauen, um diese Frage mit ja zu beantworten. SRI-ETFs wenden jedenfalls sehr viel strengere Kriterien an als ESG-ETFs.
Sicher steckt hinter dem Screening der Unternehmen viel Aufwand und auch ein guter Wille, es ist aber natürlich für die Fondsgesellschaften auch ein Geschäft. Der Grundgedanke ist aber richtig: Wo bzw. in welche Unternehmen das Kapital investiert wird, entscheidet darüber, in welche Richtung sich die Wirtschaft entwickelt.
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