US-Aktien – Ist die relative Schwäche eine Chance zum Einstieg?
Warum die Outperformance des US-Aktienmarktes vorbei ist...
(Lars Erichsen) Eine Anlage in US-Aktien war in den letzten Jahren eine sichere Sache, so schien es jedenfalls. Indizes wie der S&P 500, der den US-Aktienmarkt in seiner Gesamtheit widerspiegelt, jedenfalls was die Marktkapitalisierung betrifft, und besonders auch der Technologie-Index Nasdaq 100 legten stetig zu. Rückschläge erwiesen sich stets als Kaufgelegenheiten, nicht zuletzt weil die US-Notenbank für genügend Liquidität sorgte.
Andere Aktien-Märkte wurden dabei weit in den Schatten gestellt, was die Performance betrifft. Das gilt z.B. auch für den DAX, der in den letzten 5 Jahren um 11% zulegte, während der S&P 500 um 85% und der Nasdaq 100 sogar um 122% an Wert zulegte, jeweils inklusive Dividenden. Der marktbreite und in dieser Hinsicht mit dem S&P 500 vergleichbare europäische Stoxx Europe 600 Index entwickelte sich mit +29% nur etwas besser als der DAX:
Hauptgrund für diese Outperformance des US-Aktienmarktes ist der starke Fokus auf Technologie- und Internet-Aktien. Viele der wirtschaftlich erfolgreichsten Unternehmen der letzten Jahre haben ihren Sitz in den USA, darunter Apple, Microsoft, Tesla, Amazon, Nvidia, Alphabet u.a.Darauf muss ich hier denke ich nicht mehr näher eingehen. Dazu kommenviele innovative Technologie-Unternehmen aus der zweiten Reihe, deren Aktien teils enorme Kurszuwächse verzeichneten.
Technologie-Aktien nicht mehr gefragt?
Das hat sich in den letzten Monaten gründlich geändert, Technologie-Aktien standen in den letzten Monaten besonders unter Verkaufsdruck, der Nasdaq 100 gab seit Jahresbeginn um 26% nach und damit deutlich stärker als z.B. der S&P 500 (-13%), aber auch als der DAX (-12%) oder der Stoxx Europe 600 (-9%), jeweils inklusive Dividenden.
Das ist durchaus überraschend, denn der auch an der Börse im Mittelpunkt stehende Ukraine-Krieg belastet Europa wirtschaftlich viel stärker als die USA. Trotzdem haben europäische Aktien besonders in den letzten Wochen eine Outperformance gegenüber dem US-Aktienmarkt gezeigt.
Der S&P 500-Index ist auf den tiefsten Stand seit März 2021, der Nasdaq-100 Index sogar auf den tiefsten Stand seit November 2020 gefallen. Der DAX dagegen konnte sich um die runde Marke von 14.000 Punkten, und damit deutlich über seinen Jahrestiefs behaupten.
Es ist ganz offensichtlich so, dass für die Aktien-Anleger die Zinsentwicklung eine wichtigere Rolle spielt als der Ukraine-Krieg. Und die Zinsen steigen in den USA schneller als in der Eurozone, was insbesondere auf Kredite angewiesene Wachstums- und Technologie-Unternehmen belastet.
Der starke Rückgang am US-Aktienmarkt müsste doch eigentlich dafürsprechen, dass dort auch die größten Chancen auf einen Rebound, sprich eine Kurserholung zu finden sind? Wenn Du meine Videos und Podcasts kennst, dann weißt Du, dass die Antwort hier "ja und nein" lautet. Das ist weniger unentschlossen, als es klingt.
Kurzfristige Chancen und langfristige Strategie
Es ist umstritten, ob die dafür gängigen Definitionen derzeit zutreffen oder nicht, aber wir befinden uns meiner Ansicht nach in einem Bären-Markt. Eine rückläufige allgemeine Entwicklung am Aktien-Markt ist gekennzeichnet durch starke Schwankungen, sprich eine hohe Volatilität. Neben schwachen Handelstagen gibt es immer wieder auch starke Kurserholungen, und in solchen Phasen sind dann häufig die zuvor am stärksten gefallenen Aktien gefragt.
Doch das solltest Du nicht mit einer Wende nach oben verwechseln. Um davon sprechen zu können, müssen charttechnische Marken überwunden werden und das fundamentale Umfeld muss sich entscheidend verbessern. Beides ist derzeit nicht gegeben.
Das heißt: Kurzfristig, also für Trader, bieten solche Rebounds Chancen, langfristige Anleger sollten sich mehr an den fundamentalen Daten orientieren. Immerhin, was das fundamentale Umfeld betrifft, da scheint viel Negatives inzwischen eingepreist, sprich in den Kursen enthalten. Manche sprechen auch davon, dass der Pessimismus bereits übertrieben sei.
Gesamt-Markt nicht günstig bewertet
Die Aktien-Experten der US-Großbank Morgan Stanley sehen das aber z.B. nicht so, ihr Kursziel für den S&P 500 Index auf 12-Monatssicht lautet 3.900 Punkte. Das entspricht in etwa dem aktuellen Stand. Auf dem Weg dahin rechnen sie aber mit einem weiteren Kursrückgang auf 3.400 Punkte, also einem Überschießen in negativer Hinsicht.
Mit solchen Prognosen ist das ja so eine Sache, sie treffen selten zu. Aber egal ob es zu diesem Kursrückgang kommt oder wie stark dieser ausfällt, Kaufkurse sehen die Aktien-Experten auf diesem Niveau damit offenbar nicht – jedenfalls was den Gesamt-Markt betrifft, bei einzelnen Aktien kann das natürlich anders aussehen.
Das schätzen z.B. auch die Experten der Helaba so ein: Trotz des Kursrückgangs sei der US-Aktienmarkt in seiner Gesamtheit nicht günstig bewertet, es wurde lediglich die starke Überbewertung der letzten Jahre abgebaut. Der S&P 500-Index ist weiterhin nicht nur im Ländervergleich teuer, sondern auch historisch gesehen liegt die Bewertung über dem Normalbereich der letzten Jahre.
Die Helaba legt dabei mehrere Aktien-Kennzahlen für die Berechnung zugrunde. Aus ihrer Sicht sollte daher "... der Anlage-Schwerpunkt auf Aktien aus dem DAX und dem EURO STOXX 50 gelegt werden." Schwächephasen böten die Gelegenheit, Positionen aufzubauen.
Mein Fazit
Bieten US-Aktien aufgrund des starken Kursrückgangs also überdurchschnittliche Chancen auf einen Rebound? Das muss zuallererst im Einzelfall beurteilt werden, jede Aktie ist anders. Was den Gesamt-Markt betrifft, sind aber 2 Punkte zu bedenken:
1. Der Hauptgrund für den starken Kursrückgang, nämlich die Zinserhöhungen der US-Notenbank, bleibt bestehen. Das und die hohe Inflation werden die Konjunktur dauerhaft bremsen.
2. Trotz des starken Kursrückgangs ist der S&P 500 immer noch deutlich höher bewertet als z.B. der DAX oder der Stoxx Europe 600.
In einem langfristigen Aktien-Portfolio sollte jede Aktie immer einzeln beurteilt werden. Eine Übergewichtung von US-Aktien erscheint aus meiner Sicht derzeit aber nicht sinnvoll. Insbesondere solltest Du den Fehler vermeiden, Dich von früheren Kurs-Niveaus blenden zu lassen. Das ist kein Indiz für das Kurs-Potenzial in der Zukunft!